Round Table Gebäudetechnik 2020
Gebäudetechnik-Branche diskutiert die Dekarbonisierung der Heiztechnik
Gleich auf mehreren Ebenen laufen in der Gebäudetechnik-Branche zukunftsweisende Projekte zur Unterstützung der angestrebten Energiewende. Im Rahmen des Round Table Gebäudetechnik 2020 Mitte September wurden einige von ihnen vorgestellt und diskutiert.
Seit mehreren Jahren organisieren GebäudeKlima Schweiz, der bedeutendste Schweizer Hersteller- und Lieferantenverband der Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik, und die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV) alljährlich einen Round Table Gebäudetechnik. Ein Anlass für den Gedankenaustausch von Gebäudetechnik-Herstellern und -Lieferanten, untereinander aber auch mit Vertretern von Behörden und Verbänden. Das diesjährige Hauptthema, die Dekarbonisierung der Heiztechnik, lockte Mitte September über 40 Interessierte nach Aarau.
Das erste Referat hielt Prof. Dr. David Zogg von der Fachhochschule Nordwestschweiz. Er zeigte unter anderem Optimierungspotential in der Abstimmung von Wärmepumpen und Photovoltaik-Anlagen auf. Für eine ideale Energie- aber auch Kosteneffizienz gilt es, möglichst viel eigenproduzierte Solarenergie gleich selber zu verbrauchen. Heute wird dafür standardmässig die SG-Ready-Schnittstelle genutzt. Mehr Möglichkeiten bieten sich jedoch, wenn alle Geräte über ein eigenes Heim-Netzwerk verbunden sind. Die Zukunft sieht David Zogg etwa bei der intelligenten Einbindung der Wärmepumpe über Modbus bzw. der nächsten Generation der SmartGridReady-Schnittstelle. In einer aktuellen Studie wird ein Beispiel aufgezeigt, bei dem der Eigenverbrauch so um rund zehn Prozent und der Autarkiegrad sogar um 17 Prozent auf jährlich über 70 Prozent für das gesamte Gebäude gesteigert werden konnte. Das SmartGridReady-Label für entsprechend kompatible Wärmepumpen ist in Vorbereitung, erste damit gekennzeichnete Geräte werden 2021 erwartet.
Biobrennstoffe und Wasserstoff
Keine Technologie werde die Wende alleine schaffen, meinte auch Dr. Andreas Bohren. Für den Leiter Testing am Institut für Solartechnik SPF ist es deshalb wichtig, dass Forschungs- und Prüflabore einzelne Technologien nicht nur isoliert behandeln. In diesem Zusammenhang stellte er die ASETLabs vor. Diese Vereinigung von sechs akkreditierten Prüflaboratorien im Bereich Energie in der Schweiz ermögliche eine engere Zusammenarbeit der Labore. Auch könnten die ASETLabs Industrie und Gewerbe vielfältig unterstützen, etwa bei der Erlangung von Zertifizierungen und Labels, bei Tests von Prototypen oder durch Wissenstransfer und Zugang zu internationalen Netzwerken wie etwa Normengremien.Aktuelle Themen ebendieser Normengremien stellte Barbara Guder vor, Programme Manager SNV. Sie gab unter anderem ein Update betreffend SIA-Norm 385/1 und SVGW-Richtlinie W3/E3 zum Thema Trinkwasserhygiene. Ebenso ging sie auf die neuen Ressourceneffizienzanforderungen ein, die zukünftig für Geräte gelten, die unter der Ökodesign-Richtlinie reguliert sind. Ausserdem stellte sie zwei aktuelle Normungsanträge an die SNV für Biobrennstoffe vor: «Bioheizöl auf pflanzlicher Basis» und «Biogene Brennstoffe auf Basis von Altspeiseöl». Die Normierung des Brennstoffs ist gemäss der Luftreinhalte-Verordnung eine der Anforderungen, damit ein Brennstoff auch in kleineren Anlagen eingesetzt werden kann. Zum Schluss ging Barbara Guder auf Entwicklungen bezüglich Wasserstoff (H2) in der Europäischen Union ein. So wurde eine «Europäische Allianz für sauberen Wasserstoff» gegründet, welche die gesamte H2-Wertschöpfungskette und alle Interessengruppen vertritt. Weiter startete im Februar ein EU-Projekt, das die Auswirkungen von Wasserstoff-Erdgas-Mischungen (H2NG) auf Gasgeräte ermittelt. Auch ist in den neuen Ökodesign-Richtlinien ab zirka 2025 eine «H2-Ready»-Kennzeichnung für Gasheizgeräte angedacht.
Matthias Hafner, Fachspezialist Gas des Schweizerischen Vereins des Gas- und Wasserfaches (SVGW) wiederum zeigte auf, was hierzulande im Bereich Wasserstoff läuft. Er stellte Szenarien für zukünftige Gasnetze in Europa vor und was deren Folgen für die Schweiz sind. Langfristiges Ziel sei die Dekarbonisierung der Gasinfrastruktur, wobei bis dahin noch einige Herausforderungen anstehen. So gilt es, die Auswirkungen auf Arbeitssicherheit, Messtechnik und Abrechnungswesen ebenso zu klären wie die H2-Toleranz des Schweizerischen Verteilnetzes. Aktuell läuft ein Projekt mit Gasversorgern, die ihre Verteilnetze und Netzkomponenten diesbezüglich analysieren. Auch gibt es erste Feldversuche, bei denen Wasserstoff zumindest beigemischt wird, um Kenntnisse zu den Auswirkungen zu erhalten.
Es braucht auch Übergangstechnologien
Während vielerorts also Entwicklungen laufen, werden die Vorschriften für den Ersatz fossiler Heizsysteme immer strenger. Von der Wärmeerzeugerbranche seien deshalb Übergangstechnologien gefragt, zeigte sich Zeljko Lepur überzeugt. Als solche stellte der Leiter Produktmanagement von Hoval (Schweiz) AG die Hybridheizung vor, eine Wärmepumpe in Kombination mit fossilen Brennstoffen. Dabei werden auch bei Häusern, die auf höhere Vorlauftemperaturen angewiesen sind, bei guter Effizienz die Vorteile der Wärmepumpe genutzt. Sobald die Aussentemperatur jedoch unter ein vorgegebenes Niveau sinkt, setzt die Öl- oder Gas-Heizung ein und bricht die Leistungsspitzen. Damit können bei richtiger Planung die MuKEn-Vorschriften von mindestens 25 Prozent Wärmeleistung aus erneuerbarer Energie bei ungenügend gedämmten Gebäuden eingehalten und gleichzeitig 50 Prozent fossile Energie beziehungsweise CO2 eingespart werden. Gleichzeitig verschafft man sich Zeit, seine Liegenschaft auf den definitiven Umstieg zum Beispiel auf eine Wärmepumpe vorzubereiten. Im Anschluss ergriff Alfred Freitag des Schweizerischen Vereins für Luft- und Wasserhygiene (SVLW) das Wort und gab unter anderem ein Update zu den überarbeiteten EU-Richtlinien über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Zudem sprach er zu den Themen Ecodesign für Gebäudeautomationen und Smart Readiness Indicator. Weiter unterstrich Alfred Freitag die Bedeutung gesunder Raumluft und plädierte diesbezüglich für neue Richtwerte. Nach einer Fragerunde nutzten die Anwesenden abschliessend die Gelegenheit, bei einem Apéro im persönlichen Gespräch mit Referenten, Verbands- und Behördenvertretern sowie Arbeitskollegen die diesjährigen Themen des Round Table Gebäudetechnik noch zu vertiefen.Veröffentlicht am: 06.10.2020 | um 10:56:15 |